Tennis
Kretschmer verlässt sein Zuhause beim STC
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Bei Solingens führendem Tennisverein geht der langjährige Profi-Spieler von Bord.
Von Jürgen König
In diesen Tagen läuft für Gero Kretschmer alles in vertrauten Bahnen ab. Für die Tennisschule von Karsten Saniter, Nina Mertens und ihm absolviert er auf der Anlage des STC 02 ein Oster-Camp für den Nachwuchs. Doch es ist ein besonderes: Der Solinger wird danach seine Zelte in beiden Bereichen abbrechen und sich neuen Herausforderungen stellen. Für den Tennisverband Niederrhein wird er dann ebenso tätig werden wie für den Zweitligisten Blau-Weiß Krefeld. „Das war keineswegs so geplant, aber man hat nach Jahren inzwischen eine andere Auffassung in vielen Teilenbereichen gehabt“, erklärt Kretschmer. Dass es nicht mehr gepasst habe und die Basis im Miteinander weggebrochen sei, bestätigt Karsten Saniter für Schule und Club.
Bevor die Trennung mit dem Camp an der Widderter Straße eingeleitet wurde, erlebte der langjährige Führungsspieler des STC an der Seite weiterer Ex-Profis großartige Tage bei der Weltmeisterschaft der 35er-Konkurrenz im türkischen Manavgat in der Provinz Antalya. „Es war top organisiert und hat mir auch vom Rahmen her unglaublich gut gefallen“, sagt der 37-Jährige, der seine jahrelange Doppel-Stärke – einst sogar ein Aspirant für den Daviscup – in den Dienst der deutschen Nationalmannschaft stellte und die optimale Bilanz herausholte. Auch im mit 1:2 verlorenen, hochwertigen Finale gegen bärenstark besetzte Italiener. Selbst ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt beeinflusste Kretschmers positives Fazit nicht: „Mein Körper hatte kurzfristig verrückt gespielt, nach einer Infusion war wieder alles in Ordnung. Ich würde gerne noch einmal mit Deutschland zur WM fahren und dann natürlich Gold holen.“ Silber war unter den 16 Nationen aber schon als großer Erfolg zu werten.
Eine Erfolgsgeschichte ist auch – mit einer Unterbrechung beim TC Wolfsberg-Pforzheim – die beim STC. „Im Jahr 2000 bin ich zum Verein gekommen, habe sicher über 300 Matches für ihn bestritten. Von daher ist das Ende natürlich eine extrem emotionale Angelegenheit“, erzählt Gero Kretschmer. Als Schüler startete er auf Bezirksebene die Karriere bis hin zum Profi, der Grand-Slam-Turniere bestreiten durfte. Ob 1. und 2. Bundesliga oder wie zuletzt die durchaus prominent besetzte 3. Liga – der Name des stets kämpferischen Rechtshänders war aus den Aufstellungen der Widderter nicht wegzudenken.
Diese Matches sind dem langjährigen Führungsspieler besonders erfreulich in Erinnerung geblieben:
Prominenz: Als Jugendlicher steuerte der Solinger gegen Oberhausen an der Seite des früheren Klasse-Doppel-Spielers Michael Kohlmann die 2. Bundesliga an und punktete. Kohlmann ist seit Anfang 2015 Kapitän des deutschen Daviscup-Teams.
Aufstieg: Schon als Zweitliga-Akteur bestritt Kretschmer 2006 im Kampf um den Erstliga-Aufstieg das abschließende Einzel und trotzte dem Nieselregen – sein Zähler zum 4:2 gegen den TV Osterath war mitentscheidend für den Sprung nach oben.
Krimi: Nummer eins in der persönlichen Rangliste ist das Erstliga-Match 2008 gegen den Brasilianer Franco Ferreiro von Blau-Weiß Krefeld. „Da war alles drin, mein Gegner erhielt nach Beleidigungen Punktabzug, auf der Anlage tummelten sich bei sonnigem Wetter 1000 Leute. Und ich durfte im Kessel von Platz vier schließlich nach dem Champions-Tiebreak jubeln“, dankte Gero Kretschmer in dem Fall wie auch generell den Zuschauern – unendlich dankbar sei er, wie sie ihn oftmals nach vorne gepeitscht hätten.
Triumph: Im Februar 2015 gab es den einzigen ATP-Turniersieg, erzielt in Quito/Ecuador an der Seite von Alexander Satschko. Davor und danach gab es unter anderem Halbfinal-Teilnahmen. Mit Satschko gewann er neun Mal im Doppel auf Challenger-Ebene, auf der Future-Tour sprangen sieben Erfolge im Einzel und 14 im Doppel heraus. Beste Weltranglisten-Positionen: 316 im Einzel (2010), 79 (2014) im Doppel, in dem auch das Highlight bei Wimbledon mit einem Match gegen die lange Zeit in der Welt dominierenden Bryan-Zwillinge (USA) geschah.
Zurück in die Gegenwart: In der vergangenen Saison hatte Kretschmer anfänglich mit Verletzungen im Knie zu kämpfen. Auch für sein Team lief es nicht rund, erst über Umwege kam der Drittliga-Klassenerhalt zustande. In der langen Zeit hatte es auch Abstiege mit der Mannschaft zu verarbeiten gegeben. „Es gibt Dinge, die muss jeder für sich entscheiden“, sagt der langjährige Teammanager Kurt-Reiner Witte (| Kasten: Tennis aktuell), der stets ein enges sportliches Verhältnis zu Gero Kretschmer pflegte, zum Ende der Ära. „Der STC hat mir in all den Jahren ein Zuhause gewährt“, dankt Kretschmer den Wegbegleitern.
Dieser führte nach der Trennung Gespräche hinsichtlich von Einsätzen in der bevorstehenden Sommer-Spielzeit und wurde bei Blau-Weiß Krefeld als Zweitliga-Rivale des aufgestiegenen TC Ohligs fündig. Am 23. Juli kommt es in Krefeld zum Aufeinandertreffen – vielleicht auch mit Kretschmer an einer hinteren Einzel-Position, was so geplant sei.
Klar ist seine Tätigkeit beim Verband, für den er als Trainer hauptsächlich am Stützpunkt in Essen tätig sein wird. „Der Job bot sich an, nachdem wir uns zwei Wochen zuvor entschieden hatten, getrennte Wege zu gehen.“ Die besten Nachwuchsspieler des Landesverbandes sollen es sein, die er an höhere Aufgaben heranführen wird. So wie es einst beim Solinger TC mit dem ganz jungen Gero Kretschmer der Fall war.
Tennis aktuell
STC 02: Solingens führender Tennisverein hat einen neuen 1. Vorsitzenden – Kurt-Reiner Witte folgt auf Simone Carius, die aber unterstützend erhalten bleibt. „Ich sehe das als interimsmäßige Lösung an und möchte jüngeren Leute in die Verantwortung helfen“, sagt der 78-Jährige, der dem STC seit Jahrzehnten eng verbunden ist – auch schon als Clubchef.
TC Ohligs: Max Purcell, zukünftiger Spitzenspieler des Zweitligisten, sorgt weiter für Furore. Nach Platz zwei beim Challenger-Turnier in Lille/Frankreich liegt der Australier bereits auf Position 86 der Weltrangliste. Derzeit schlägt der 24-Jährige nach seinem beständigen Aufwärtstrend im Einzel und Doppel beim ATP-Turnier in Houston/USA auf.