Handball

Der Meister nutzt die Gunst der Stunde

Meisterspielerinnen mit Krönchen: Hannah Kamp (v. l.), Vanessa Brandt und Lucy Jörgens.
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Meisterspielerinnen mit Krönchen: Hannah Kamp (v. l.), Vanessa Brandt und Lucy Jörgens.

Analyse: Der Weg des HSV Solingen-Gräfrath in die 1. Handball-Bundesliga.

Von Lutz Clauberg

Der HSV Solingen-Gräfrath hat seinen Traum verwirklicht und ist am Samstag in die 1. Bundesliga aufgestiegen. „Unbegreiflich“, sagte Stefan Bögel wenige Augenblicke nach dem heldenhaften 23:22-Sieg des Zweitliga-Meisters in Buchholz. Denn das Meisterstück war alles andere als selbstverständlich oder gar ein Selbstläufer. Rosengarten 08-Buchholz hatte den direkten Wiederaufstieg angepeilt. Frisch Auf Göppingen und die Füchse Berlin standen vor dem Saisonstart am 10. September 2022 ebenfalls bei vielen Experten auf dem Zettel. Alleine schon wegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen mit ungleich höheren Etats als in Solingen. In Berlin beispielsweise stehen elf ausländische Spielerinnen unter Vertrag.

Gute bis sehr gute Außenseiterchancen wurden dem HSV durchaus eingeräumt. Schließlich kam Pia Adams als Königstransfer aus Zwickau. Sina Ehmann, aus Göppingen geholt, und Lisa Kunert vom TuS Lintfort waren weitere Hoffnungsträgerinnen. Es kam alles ganz anders: Ehmann trug nur drei Zweitliga-Spiele das HSV-Trikot und ging zurück nach Göppingen, Lisa Kunert debütierte erst am 11. Februar beim wegweisenden 27:25 gegen die Rödertal Bienen. „Es war eine Saison mit Höhen und Tiefen“, sagt Adams, die für Leverkusen und Zwickau bereits in der 1. Liga auflief.

Der Umstand, dass die komplette Liga-Spitze immer wieder patzte, hielt den HSV am Leben. Der brachte sich mit sieben Siegen in Serie in Position, nach 20 Runden standen 33 Punkte zu Buche. Es folgte jedoch eine heftige Pleite in Lintfort, ein Remis gegen Göppingen und die einzige Heimpleite: Nach dem 27:30 gegen die Füchse waren plötzlich vor dem 25. Spieltag Göppingen und Berlin mit 36:12-Zählern gleichauf. Die Konkurrenz patzte anschließend, der fokussierte HSV nutzte die Gunst der Stunde.

Bei zwölf „Miesen“ blieb es nämlich für Kerstin Recken-thälers Truppe, die, wie Pia Adams betont, ein ganz besonderer Teamgeist auszeichnet: „Jeder kämpft für jeden.“ Das bestätigt auch Lara Karathanassis, die an diesem Montag erfolgreich am Knie operiert wurde: „In dieser Mannschaft stimmt es einfach.“ Von der Trainerin war nie auch nur ein Satz – auch nicht außerhalb des Protokolls – zu hören, dass die Trainingseinstellung zu wünschen übrig ließe.

In vielen engen Spielen überzeugte der HSV durch seine überragende Physis. Zweifelsohne ein Verdienst der Trainerin, die am 10. November 2018 zum ersten Mal auf der HSV-Bank in der 3. Liga West saß: ausgerechnet gegen die Zweite ihres Ex-Clubs Leverkusen, mit dem sie herausragende Erfolge mit drei Deutschen Meisterschaften im Jugendbereich feierte. Unzählige Talente, die sich in der 1. und 2. Liga tummeln, gingen durch ihre Hände. Es ist kein Zufall, dass zahlreiche ehemalige Bayer-Spielerinnen das Gräfrather Trikot tragen.

Die, die alle HSV-Spielerinnen besser macht, feierte 2019 den Zweitliga-Aufstieg. Ihr Kommentar seinerzeit dazu: „Die Mannschaft hat auch in schwierigen Momenten Charakter gezeigt und sehr hart gearbeitet.“ Diese Aussage steht auch vier Jahre später wie eine Mauer: „Das unterschreibe ich sofort.“

Reckenthäler und Manager Stefan Bögel brachten intelligente Transfers auf den Weg. Nach dem ersten Zweitliga-Jahr, das durch „glückliche Umstände“ (Corona-Saisonabbruch) den Klassenerhalt brachte, kamen 2020 Cassandra Nanfack, Luca Tesche (inzwischen ausgeliehen nach Wien), Lara Karathanassis aus Bonn, Natascha Krückemeier und Melina Fabisch (nach Italien ausgeliehen) aus Wuppertal. Nach dem fünften Rang 2020/21 fanden Jule Polsz, Nele Weyh, Sena Gün und Lucy Jörgens den Weg nach Solingen. Eine Euphoriewelle spülte die Newcomerinnen zur Winterpause an die Tabellenspitze, punktgleich mit dem späteren Meister VfL Waiblingen. Der HSV wurde Vierter – und steigt jetzt, nach nur vier Jahren 2. Liga, für Freund und Feind überraschend auf.

Stefan Bögel gelang das 2013 schon als Manager des TV Emsdetten. Er kennt aus dieser Zeit Dirk Schemann, seit Mitte 2022 ehrenamtlich bei der Spielbetriebs-GmbH für die Kommunikation zuständig. „Unser zweiter gemeinsamer Aufstieg“, freut sich „Schemi“, der sich nach zweijähriger Handball-Auszeit pudelwohl beim HSV fühlt.

HSV-Eis

Das Gräfrather Eiscafé Giulia hat ein HSV-Meistereis kreiert: Baileys mit einem Hauch Espresso. Einige Portionen verdrückten die Spielerinnen bereits vor Ort am Sonntag.

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