Handball
Nach über vier Jahren: BHC jubelt in Düsseldorf
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Handball-Bundesliga: Gegen den HSV Hamburg erholt sich der Bergische HC von einem 15:19-Pausenrückstand und siegt 37:34.
Von Thomas Rademacher
15 Mal hatte es der Bergische HC im PSD Bank Dome versucht, die Mitsubishi Electric Halle war am Ostersonntag gegen den HSV Hamburg zum dritten Mal Schauplatz eines Bundesliga-Heimspiels der Löwen. Fast exakt viereinhalb Jahre nach der Premiere in Düsseldorf brach der BHC im 18. Versuch nach zwischendurch zwei Unentschieden endgültig den Bann – in einem bemerkenswerten Handballmatch, das aus Sicht der Gastgeber schwach begann und herausragend endete. Beim 37:34 (15:19) stellte der BHC zahlreiche Saisonrekorde auf und bewies ungeahnte Comeback-Qualitäten.
14:19 lagen die Hausherren kurz vor dem Halbzeitpfiff hinten. Die Stimmung unter den 2421 Zuschauern war auf einem Tiefpunkt. Wenig sprach zu diesem Zeitpunkt für das Team von Trainer Jamal Naji, das in der Deckung keinen Zugriff bekam und vorne immer wieder an Johannes Bitter im HSV-Tor scheiterte. „Es war in der ersten Hälfte defensiv so schlecht von uns, dass das keiner auf sich sitzen lassen konnte“, meinte Geschäftsführer Jörg Föste. „Das schrie nach Reparatur – und zwar umgehend. Die hatten wir uns in der Halbzeit vorgenommen. Wir wollten unser wahres Gesicht zeigen, und das haben wir auch getan.“
Vor dem Gang in die Kabinen hatte Tomas Babak noch auf 15:19 verkürzt, sechs Minuten nach Wiederanpfiff stand es bereits 20:20. Naji stellte die Deckung leicht um, brachte Djibril M'Bengue, um auf der Halbposition zu verteidigen. Es machte sich bezahlt. Die Abwehr war nicht wiederzuerkennen. Peter Johannesson entschärfte in dieser Phase nahezu jeden Ball und leitete erfolgreich die Gegenstöße ein. „Wir haben uns in einen Rausch gespielt“, freute sich Jamal Naji.
Die Stimmung war nicht wiederzuerkennen. „Die Halle kam und wir haben die Emotionen mitgenommen“, beschrieb Noah Beyer, der in der zweiten Halbzeit mit irrer Sicherheit von Außen traf und damit an seine aktuell gute Form anknüpfte. „Ich habe eine gute Phase“, analysierte er sachlich. „Wenn man gut und hochprozentig trifft, wächst auch das Selbstvertrauen. Genau so versuche ich weiterzumachen.“
Beyer, M'Bengue und Johannesson waren nicht die einzigen BHCer, die wie beflügelt aufspielten. Emotionaler Anführer war Frederik Ladefoged. Der Kreisläufer feuerte nicht nur an, sondern ging auch mit großen Wurfqualitäten voran. Acht Treffer hatte er am Ende auf dem Konto. Vielleicht hätten es sogar zehn sein können, doch fünf Minuten vor Schluss kassierte der Däne seine dritte Zeitstrafe und damit Rot. Die Stimmung dämpfte dies nicht, die Bergischen standen schon beinahe als Sieger fest.
Denn der seitens des Trainers erwähnte „Rausch“ setzte sich auch nach dem 20:20 fort. Ein Parade-Beispiel des fösteschen „wahren BHC-Gesichts“ war das Tor zur ersten Führung nach der Pause. Johannesson hielt, Tom Kare Nikolaisen holte den Abpraller, M'Bengue brachte die Kugel zu Linus Arnesson, der über Beyer den völlig freien Ladefoged bediente. Sechs Sekunden dauerte die Kombination über sechs Stationen – viel besser ging es nicht.
„Das schrie nach Reparatur – und zwar umgehend.“
Der BHC war nun nicht mehr aufzuhalten. Er traf aus allen Lagen. Auch über Rechtsaußen durch Isak Persson, aus dem Rückraum durch Arnesson, Tomas Babak und später Alexander Weck. „Das waren zwei verschiedene Spiele in den beiden Halbzeiten“, meinte Peter Johannesson. „Vor der Pause waren wir zu lieb und nett. Danach kämpfen wir zusammen, stehen deutlich besser und haben die nötige Aggressivität.“ Ob er nach 30 Minuten noch an eine solche Wende geglaubt hatte? „Wenn man das nicht macht, sollte man aufhören. Kein Spiel ist tot, auch wenn man deutlich hinten liegt.“
Der Schwede muss es wissen. In Diensten des TBV Lemgo hatte er einst einen 11:18-Halbzeitrückstand gegen den THW Kiel im Pokal-Halbfinale aufgeholt und 29:28 gewonnen. Die Wende gegen Hamburg war allerdings die größte, die er bisher mit dem BHC erlebt hat. Denn in dieser Saison haben die Bergischen noch nie mit fünf Toren hinten gelegen und später gejubelt. Auch 22 Tore in 30 Minuten sind Spielzeit-Rekord. Naji: „Das sind deutlich mehr als im ganzen Spiel gegen Flensburg.“ Und übrigens nur eins weniger als bei der 23:33-Hinspielpleite in Hamburg. Und wie wichtig ist dem Trainer der gebrochene Bann in Düsseldorf? „Dem Umfeld bedeutet es sicher viel, für mich ist es relativ uninteressant. Wir haben die beiden Punkte nach einer sehr guten zweiten Halbzeit. Das ist das Ausschlaggebende.“
Weitere Stimmen zur spektakulären Wende
Torsten Jansen ist kein Mann der großen Worte. Der ehemalige Spieler der SG Solingen, der seit März 2017 den HSV Hamburg trainiert, hält sich in der Öffentlichkeit gerne zurück und wirkt dabei oft sogar etwas schelmisch. Nach der 34:37-Niederlage gegen den Bergischen HC war die Gefühlswelt des 46-Jährigen aber deutlich erkennbar. Es war ein Mix aus Wut und Enttäuschung, die bei der Pressekonferenz vorherrschte.
„Ich kann es heute kurz machen“, sagte Jansen und hielt Wort. „Wir haben eine ordentliche erste Halbzeit gespielt, sind danach zehn, zwölf Minuten im Tiefschlaf und kriegen einen Konter nach dem anderen. Wir haben gar keinen Rückzug, leichte Fehler vorne gemacht – dann wird es schwer. Wenn man so dem Gegner die Hand reicht, können wir uns das selbst ankreiden.“ Mehr gebe gar nicht zu sagen. „Das war entscheidend, und dementsprechend bin ich jetzt schon mal fertig“, meinte er und grinste dann doch einmal schelmisch, während er sich in seinen Sitz zurücklehnte.
Keine Frage, der BHC hatte den HSV nach der Pause beeindruckt und letztlich gewaltig bedient. „Wenn du mit fünf Toren führst, dein Konzept aufgehen und dich emotional im Vorteil siehst, kannst Du natürlich tief fallen. Das ist Hamburg passiert“, meinte BHC-Geschäftsführer Jörg Föste.
Personal
Tim Nothdurft kam nach überstandener Handverletzung zu seinen ersten Minuten auf Linksaußen. Rechtsaußen Arnor Gunnarsson war nach Rückenproblemen genauso wieder im Kader wie Rückraum-Linkshänder Simen Schönningsen. Beide blieben aber auf der Bank. Aussetzen musste Lukas Stutzke, bei dem sich der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bestätigte.
Weitere Stimmen zum Spiel gibt es in unserem BHC-Podcast.
Kommentar von Thomas Rademacher: Doppelte Premiere
Es ist also endlich vollbracht. Der Bergische HC hat seinen ersten Sieg in Düsseldorf gefeiert. Und was für einen. Wie der 37:34-Erfolg gegen den HSV Hamburg zustande kam, ist dabei tatsächlich noch bemerkenswerter als die seit viereinhalb Jahren sehnlich erwartete Premiere in der Landeshauptstadt. Denn zur Pause deutete sich eher ein Match wie im Hinspiel an. Das hatte der BHC sang- und klanglos in Hamburg mit 23:33 verloren. Diesmal aber ergab sich die Mannschaft nicht, sondern glaubte an die Wende an einem Tag, an dem bisher nicht viel funktioniert hatte.
Das war in dieser Form auch eine Premiere – und wohl der nächste Entwicklungsschritt.