Handball
Djibril M'Bengue soll beim BHC eine Führungsrolle einnehmen
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Bundesliga: Deutscher Nationalspieler träumt von Europa.
Von Thomas Rademacher
Solingen. Seine Verpflichtung war ein Paukenschlag. Gerade war Djibril M'Bengue (gesprochen mit kurzen „I“ im Vornamen und wahrnehmbarem „M“ im Nachnamen, also: Em-Bengue) im vergangenen Winter für die deutsche Nationalmannschaft nominiert worden, da verkündete der Bergische HC, dass der Linkshänder einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Der etwas überraschende Abgang von David Schmidt – ebenfalls Nationalspieler – wurde damit kompensiert. Oder sogar mehr als das? M'Bengue hat beim FC Porto vier erfolgreiche Jahre hinter sich und trotz seiner bereits 30 Jahre wohl noch häufiger die Chance, seine Qualitäten bei Bundestrainer Alfred Gislason unter Beweis zu stellen. „Wir haben Djibril nicht als einen von vielen verpflichtet“, betont BHC-Coach Jamal Naji. „Aufgrund seiner Erfahrung wird er eine Führungsrolle einnehmen. Dass er sich darüber bewusst ist, sieht man bereits jetzt im Training.“
M'Bengue war kein Schnellstarter. In der Jugend gehörte er nicht zu den absoluten Überfliegern, die die Nachwuchsnationalteams durchlaufen haben. „Bei mir ging alles etwas später los“, sagt er rückblickend. Vom Fußball ging es noch aus pragmatischen Gründen mit etwa elf Jahren zum Handball. „Beim Fußball haben die Eltern von außen so eine Aggression hereingebracht, dass mir das keinen Spaß mehr gemacht hat. Im Handball ist das anders“, erläutert der Rückraumspieler, der beim SC Urbach (heute HSK Urbach/Plüderhausen) begonnen hat, bevor er in der A-Jugend zum TSB Schwäbisch Gmünd wechselte, für den er später im Männerbereich in der Oberliga antrat.
Es war erst zu diesem Zeitpunkt, also mit 20 oder 21 Jahren, dass M'Bengue mehr Aufmerksamkeit erregte. „Damals habe ich in der Oberliga dann schon regelmäßig meine zehn Tore gemacht“, erinnert er sich. Zunächst mit Zweitspielrecht und später komplett ging es zum TV Bittenfeld, der heute als TVB Stuttgart firmiert. „Ich bin damals viel gelobt worden, aber mein Körper hat nicht mitgespielt“, sagt M'Bengue. Lange kämpfte der Handballer mit einer Knieverletzung, die immer wieder Operationen nach sich zog. In der Bundesliga startete er daher niemals richtig durch. „Stuttgart hat mir dann Anfang 2018 mitgeteilt, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Und besonders viel Auswahl hatte ich in der Situation nicht. Bietigheim, das damals in der 2. Liga spielte, wollte mich zum Beispiel nicht.“ Dass es dann – vermittelt durch seinen Agenten – der FC Porto wurde, bezeichnet M'Bengue inzwischen als „das Beste, was mir passieren konnte.“
Djibril M'Bengue: Nach Erfolgen in Portugal möchte er zurück in die Bundesliga und hin zum BHC
Der Linkshänder war erste Wahl im rechten Rückraum, blieb weitgehend fit und gewann in seinen vier Jahren dort drei Mal die portugiesische Meisterschaft sowie zwei Mal den Pokal. Dazu erreichte er mit der Mannschaft in drei Saisons in der Champions League zwei Mal das Achtelfinale. Die Bilanz ist sogar noch beeindruckender, als sie klingt, zumal 2020 aufgrund der Pandemie weder Pokal noch Meisterschaft vergeben wurden.
Die Entscheidung, zurück in die Bundesliga zu wollen, reifte trotz der Erfolge allerdings immer mehr in M'Bengue: „Zum einen ist die Liga in der Breite die größte Herausforderung. Zum anderen spielen familiäre Gründe eine Rolle.“ Der Handballer hatte im Winter 2020/21 Sportreporterin Ann-Sophie Kimmel kennengelernt. Die beiden wurden ein Paar und wollten in Deutschland zusammenziehen.
Da M'Bengue aufgrund seiner Leistungen inzwischen zahlreiche Angebote hatte, war der Weg zurück nicht schwer. Seine Wahl fiel letztlich auf den BHC. „Das komplett ausgestattete Trainingszentrum ist ein riesiger Vorteil gegenüber vielen anderen Vereinen, und der BHC hat das Potenzial, sich großartig zu entwickeln“, begründet er. „Natürlich müssen wir uns finden, natürlich brauchen wir auch Zeit, um das System des Trainers zu verinnerlichen, aber wir haben alle Voraussetzungen, um Großes zu schaffen.“
Djibril M'Bengue beim BHC: Seine Mutter gibt ihm Feedback - auch sehr kritisches
Djibril M'Bengue scheut sich nicht, sogar über die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb zu sprechen. „Es ist selbstverständlich noch ein Traum – aber einer, bei dem ich es für möglich halte, dass er mittelfristig sogar wahr wird.“
Im Gegensatz zu den meisten seiner Mannschaftskameraden fährt der 1,95 Meter große Handballer etwas länger zum Training nach Solingen. Dafür hat er es nicht weit, wenn der BHC ein Heimspiel in Düsseldorf bestreitet, denn im Stadtteil Wersten lebt er nun mit seiner Verlobten. „Das war ein guter Kompromiss, weil es für sie nicht so weit zum Flughafen ist“, sagt M'Bengue, der durch die Nähe zur Fußballreporterin einen anderen Blick auf den Sportjournalismus bekommen hat. „Inzwischen finde ich den Vor- und Nachlauf bei Spielen teilweise interessanter als die Partien selbst.“ Ob er denn auch Artikel über sich selbst lese? „Eher nicht. Ich habe in meiner Mutter jemanden, der mir sehr viel Feedback gibt. Auch sehr kritisches“, flachst er.
Das Verhältnis zu ihr sowie seinen zwei Brüdern und einer Schwester, die alle Akademiker sind, sei fantastisch. Zu seinem Vater hat M'Bengue seit vielen Jahren gar keinen Kontakt mehr. „Als ich zwei Jahre war, ist er zurück in den Senegal gegangen.“ M'Bengue wuchs in der Nähe von Stuttgart in Schorndorf auf, wo er auch geboren ist.
Djibril M'Bengue
Perspektive: Drei Jahre spielt der Rückraum-Linkshänder mindestens für den BHC. Für das Ende seiner Karriere sorgt Djibril M'Bengue vor. An der Fernuni Wismar studiert der 30-Jährige Betriebswirtschaftslehre.
Prägend: Im Training beim FC Porto erlitt der portugiesische Nationaltorhüter Alfredo Quintana im Februar 2021 einen Herzinfarkt und starb wenige Tage später. „Dieses Ereignis hat mir vor Augen geführt, dass die Dinge endlich sind und alles sofort vorbei sein kann. Es war der erste große Einschnitt, der mir gezeigt hat, dass ich näher bei meiner Familie sein möchte.“
Hier finden Sie alle Informationen zum großen Umbruch beim BHC.